Zu Besuch in Polen – „Die Wirklichkeit ist doch völlig anders“

Gut 14 Stunden fahren die Schülerinnen und Schüler von Bad Sooden-Allendorf bis nach Krynica-Zdroj. Von Erschöpfung aber merkt man ihnen nach Sonnenaufgang kaum noch etwas an. Die Eindrücke, die an den Fenstern vorüberfliegen, sind viel zu attraktiv.
„Paris-Przemysl“ steht markanterweise auf dem Bus, der mit zwei Stunden Verspätung schließlich in Nowy Sacz ankommt, von wo aus die Gruppe privat und gut organisiert weiter nach Krynica chauffiert wird.
Aus dem Fenster des Jozef-Dietl-Gymnasiums begrüßen die deutsche und die polnische Fahne die Gäste ebenso wie ein charmant lächelndes vielköpfiges Empfangskomitee, das ihnen anschließend ein Mittagessen in der geschmackvoll eingerichteten Mensa serviert: Tomatensuppe und Pierogi, von denen Schüler und Lehrer auch später noch schwärmen werden.
Am nächsten Morgen ist die ganze Gruppe wieder unterwegs samt der polnischen Partnerschüler. Noch einmal erlebt sie den Weg durch die gestern bewunderte Landschaft Malopolskas auf dem Weg nach Krakau.
Ein Handy-Verbot für Schüler wäre auf dieser Fahrt schlicht unpassend. Dank ihrer elektronischen Wörterbücher auf den Mobiltelefonen klappt die Verständigung auch dort, wo die eigenen Sprachkenntnisse noch Lücken gelassen haben.
Das Programm in den folgenden Tagen ist äußerst abwechslungsreich: Von der Wawel-Burg und dem Collegium Maius bis hin zu einem modernen Einkaufszentrum erleben die Schüler zunächst das Krakau der aristokratischen und akademischen Historie und das der merkantilen Gegenwart.
Entspannt geben sich die Schüler einer kenntnisreichen und unterhaltsamen Führung durch das Salzbergwerk von Wieliczka hin. Die Schüler genießen den trockenen Humor, mit dem die Führerin sie durch die mitunter feuchten Höhlen führt und die lebhafte Weise, in der sie ihnen etwa die Legende von der heiligen Kinga nahebringt.
Intellektuelle wie physische Herausforderungen bietet das Programm auch an den folgenden zwei Tagen auf dem Naturpfad entlang der Wanderwege von Labowa nach Hala Labowska, samt aufschlussreicher Informationen über Forellen- und Störzucht, über den Schutz gegen die Zudringlichkeiten von Fischottern, über Flora und Fauna der Region, über geglückte und weniger geglückte Anpflanzungen von Bäumen auf den Bergen.
Auch den zweiten Teil des Aufstiegs zum Gipfel, die Wanderung von der Jugendherberge bis nach Jaworzyna Krynicka, meistern die jungen Leuten und genießen schließlich den majestätischen Ausblick von der Bergspitze – ebenso wie die Fahrt mit der Seilbahn ins Tal. Mit dem leichten Schweben in der Gondel werden sie für die Anstrengungen zweier Tage belohnt.
Mucksmäuschenstill ist es am nächsten Morgen im Biologie-Unterricht des Jozef-Dietl-Gymnasiums, wenn die Lehrerinnen ganze Biologie-Kapitel vom Plasma-Monitor ablesen und übersetzen. Die hier erlebte Disziplin ist für deutsche Beobachter schlichtweg verblüffend.
Intensive Vorarbeit zu diesem Unterricht haben einige polnische Schülerinnen geleistet, die für die Gäste zahlreiche Bezeichnungen zur Beschreibung von Flora und Fauna bereits in Polnisch und Deutsch recherchiert haben. Verbleibende Lücken lassen sich per Internetsuche und den jeweiligen Rückgriff auf die lateinischen Bezeichnungen schließen.
Wie variabel und flexibel auch in Polen Unterrichtsarbeit ist, wird anschließend im Fachraum für Englisch deutlich: Die Schülerinnen sitzen hier heute nicht in Reih und Glied, sondern im Kreis. Aber die Stühle verlassen sie auch schnell wieder, wenn Lehrerin Pani Anna ihnen mehrere große Papierbögen auf den Fußboden legt und sie dazu auffordert, in Gruppen Wortschlangen mit englischen Begriffen aus dem Bereich „Environment“ (Umwelt) zu bilden. Voller Elan stürzen die deutschen und polnischen Jugendlichen sich auf den Fußboden und in diese spielerische Übung, korrigieren und unterstützen einander.
.Noch ausgelassener wird die Stimmung nach dem Mittagessen, wenn die Schülerinnen und Schüler zum Basketballtraining in die Turnhalle kommen.
Am vorletzten Tag lernen die Schüler viel über den größten Reichtum dieser Region – das Mineralwasser. Bei einem Ausflug nach Tylicz können sie sich sogar eisenhaltiges Wasser aus der Quelle zapfen, um es den Eltern mitzubringen.
Als Höhepunkt des Besuchs wird im Stadtpark von Krynica ein Baum der Freundschaft gepflanzt. Gut beschildert, erhält die Rotbuche einen prominenten Platz im Park. Mögen weiter viele Zweige aus ihr wachsen!
Zum Abschied werden alle Teilnehmer des Projekts von den Eltern der Schülerin Julia auf ihre Ranch eingeladen. Mit ausgiebigem Grillen am Lagerfeuer, Musik und Tanz wird dies zu einem unvergesslichen Abend der Freundschaft, an dessen Ende alle gemeinsam den Schlusschor aus Beethovens 9. Symphonie intonieren.
Die Deutschen werden am Abreisetag von ihren Gastgebern mit zahllosen Präsenten und auch noch aus einem wahren Füllhorn von Lebensmitteln für die lange Heimfahrt überschüttet. Rektorin Pani Agata lässt es sich nicht nehmen, die Gäste ebenfalls zu verabschieden.
Dies war bereits der 14. Besuch im Rahmen des Austauschprogramms zwischen dem Jozef-Dietl-Gymnasium in Krynica-Zroj und der Anna-Frank-Schule in Eschwege sowie der Rhenanus-Schule in Bad Sooden-Allendorf, auch diesmal gefördert von dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk.